Anhang

KURZE GESCHICHTE DES BUDDHISMUS

1 . INDIEN

Eines der größten epochemachenden Ereignisse in der Geistesgeschichte der Menschheit geschah, als das "Licht von Asien" strahlend im zentralen Teil Indiens aufging, oder mit anderen Worten, als sich dort der Frühling der Großen Weisheit und des Erbarmens ergoß, der den menschlichen Geist viele Jahrhunderte hindurch bis zum heutigen Tag bereichert hat.

Buddha Gautama, der bei den späteren Anhängern des Buddhismus unter dem Namen ,Shakyamuni` oder ,Weiser aus dem Shakya-Geschlecht` bekannt war, verließ sein Heim, wurde Bettelmönch und wandte seine Schritte gegen Süden nach Magadha. Man nimmt an, daß es in der Mitte des 5. Jh. v. Chr. geschah, daß er schließlich die Erleuchtung unter einem Bodhi-Baum empfing. Er führte seine unermüdlichen Anstrengungen fünfundvierzig lange Jahre weiter, von jener Zeit an bis zu seinem "Großen Tod", durch den er in das Mahaparinirvana eintrat, indem er die ganze Zeit hindurch die Lehre der Weisheit und des Erbarmens predigte. In der Folge davon entstanden in den Königreichen und verschiedenen Stämmen in Mittelindien unablässig große buddhistische Tempel.

Während der Zeit von König Ashoka (Regierungszeit: 268-232 v. Chr.), dem dritten Herrscher des Königreiches Maurja, verbreitete sich die Lehre Buddha Gautamas über ganz Indien und konnte auch über die Grenzen des Landes hinaus propagiert werden.

Maurja war das erste der Vereinigten Königreiche Indiens gewesen. Dieses Königreich umfaßte bereits zur Zeit seines ersten Herrschers, Chandragupta (Regierungszeit: 316-293 v. Chr.), ein ausgedehntes Gebiet. Es erstreckte sich bis zum Himalaja-Gebirge im Norden, bis zur Bucht von Bengalen im Osten, bis zum Hindukusch-Gebirge im Westen und dem Vindhya-Gebirge im Süden. König Ashoka erweiterte dieses Gebiet noch bis zum Dekhan Plateau, indem er den Herrscher Kalinga und andere besiegte.

Man sagt, daß dieser König ein sehr zorniges Wesen gehabt haben und von seinem Volk ,Candäsoka ` (,der wütende Ashoka`) genannt worden sein soll, aber sein Charakter änderte sich völlig, als er Zeuge wurde von den verheerenden Zuständen, die der Krieg durch den Kalinga besiegt worden war, verursacht hatte. So wurde er ein eifriger Ergebener der Lehre von Weisheit und Mitgefühl. Als ein Anhänger des Buddhismus tat er danach vieles, von dem die zwei folgenden Taten besonders bemerkenswert sind.

Die erste Tat war ,Ashokas eingraviertes Edikt` oder das auf der buddhistischen Lehre basierende Verwaltungskonzept, das in Steinsäulen oder auf geschliffenen Klippenwänden eingemeißelt war, die er an vielen Orten errichten ließ und die auf diese Weise Buddhas Lehre verbreiteten. Zweitens sandte er Missionare in alle Richtungen aller Länder außerhalb seines Königreiches aus, um die Lehre von Weisheit und Erbarmen zu übermitteln. Dabei muß besonders die Tatsache erwähnt werden, daß einige dieser Missionare zu solchen Orten wie Syrien, Ägypten, Kyrene, Makedonien und Epeiros geschickt wurden, und so den Buddhismus weit in die westliche Welt hineintrugen. Insbesondere Mahendra, der Bote, der nach Tämraparni oder Ceylon geschickt worden war, erreichte, daß die schöne Lehre auf dem schönen Lankädvipa (Pali: Lankädipa) errichtet wurde, und begründete somit den Ausgangspunkt der buddhistischen Lehre für die Ausbreitung nach Süden auf dieser Insel.

2. DER AUFSTIEG DES MAHAYANA BUDDHISMUS

Die Buddhisten der späteren Jahre wurden häufig als ,Östliche Bewegung des Buddhismus` bezeichnet. Aber in der Zeit vor Christus war das ,Antlitz` des Buddhismus eindeutig gegen den Westen gerichtet. Es geschah ein wenig vor oder nach dem Beginn der christlichen Ära, daß sich das ,Antlitz` des Buddhismus dem Osten zuwandte. Wie dem auch sei, bevor wir uns diesem Punkt zuwenden, muß man von dem großen Wandel sprechen, der sich im Buddhismus vollzog. Dieser Wandel war kein anderer als die "Neue Welle", die als Mahayana Buddhismus bekannt wurde und sehr schnell Fuß faßte und darüber hinaus ein herausragendes Element der Lehre dieser Zeit darstellte.

Wann, wie und von wem war solch eine "Neue Welle" begonnen worden? Niemand ist bislang in der Lage, diese Fragen endgültig zu beantworten. Unter dieser Voraussetzung können wir nur feststellen :Erstens muß dieser Trend von fortschrittliche Priestern dieser Zeit in Gang gesetzt worden sein, die der sogenannten der Mahäsamghika-Schulen angehörten. Zweitens: Einige der wichtigen Elemente der Mahayana-Schriften existierten bereits im Zeitraum von einem oder zwei Jahrhunderten vor bis einem Jahr hundert nach Chr. Und als sich die hervorragende Idee von Nagarjuna entwickelte, unterstützt von den Mahayana-Schriften, präsentierte sich der Mahayana-Buddhismus leuchtend im Vordergrund auf der Bühne der Religionsgeschichte.

Die Rolle, die der Mahayana-Buddhismus spielte, war in der langen Geschichte des Buddhismus sehr bedeutend. In China und Japan hat sich der Buddhismus fast in der gesamten Geschichte dieser Länder unter dem Einfluß der Mahayana-Lehre entwickelt. Dies erscheint nicht verwunderlich, da dort bereits zur Rettung der Massen eine neue Idee, die die neuen lebenden Heiligen von Art der Bodhisattvas im Auge hatte, welche diese Idee praktizieren sollten, ausgearbeitet worden war, und um dies noch zu unterstützen, waren die geistigen Ergebnisse auf metaphysischem und psychologischen Gebiet, die von den Mahayana-Denkern entwickelt wurden, wirklich hervorragend. Obwohl diese Idee auf der einen Seite mit der Lehre des Buddha Gautama verbunden war, wurden auf diese Weise viele neue Aspekte von Weisheit und Mitleid hinzugefügt. Mit diesen neuen Zusätzen wurde der Buddhismus mit Begeisterung und Energie angefüllt und bereicherte die Länder des Ostens wie die vorantreibende Strömung eines großen Flusses.

3. ZENTRALASIEN

Die erste Begegnung Chinas mit dem Buddhismus ergab sich von den zentralasiatischen Ländern her. Daher muß man von der ,Seiden-Straße` sprechen, wenn man von der Ausbreitung der Lehre von Indien nach China berichten will. Diese Straße führte durch die endlosen Gebiete Mittelasiens und verband den Westen mit dem Osten. Während der Zeit des Königs Wo der Han-Dynastie (Regierungszeit: 140-87 v. Chr.) war diese Straße geöffnet gewesen. Zu dieser Zeit erstreckte sich das Gebiet von Han weit bis in den Westen hinein, und in den angrenzenden Ländern wie Herghana, Sagdiana, Tukhara und sogar Parthia war der Geist des Merkantilismus , der schon früher von Alexander dem Großen entfacht worden war, immer noch stark zu spüren. Entlang dieser Straße, die durch diese Länder führte, spielte Seide die wichtigste Rolle, daher der Name ,Seiden-Straße`. In dieser Zeit, wenig vor und nach dem Beginn der christlichen Ära, begannen die ersten Kontakte zwischen Indien und China mittels des Handelsweges. So kann diese Straße auch ,Straße des Buddhismus` genannt werden.

4. CHINA

Die Geschichte des chinesischen Buddhismus beginnt mit der Annahme der Buddhistischen Schriften und deren Übersetzungen. Das älteste Werk der früheren Zeiten soll das ,Ssu-shih-er-chäng ching` (,Das von Buddha gesprochene Sutra in 42 Lektionen`).sein, das eine Übersetzung von Käsyapamätanga und anderen während der Ying-p'ing Ära von König Ming vom Späteren Han (58-76 n. Chr.) ist, aber heute wird dies als zweifelhafte, legendäre Geschichte betrachtet. Die gefestigte Ansicht spricht diesen Verdienst nun An-shin-kao zu, der in Lo-yarig von etwa 148-171 n. Chr. mit Übersetzungen beschäftigt war. Von dieser Zeit an bis zur Zeit der Nördlichen Song Dynastie (960-1129 n. Chr.) wurde die Übersetzungsarbeit fast eintausend Jahre lang fortgesetzt.

Während der frühen Jahre waren diejenigen, die die entscheidende Rolle bei der Einführung der Schriften und deren Übersetzung spielten, meist Priester der zentralasiatischen Länder. Zum Beispiel kam der oben bereits erwähnte An-shin-kao aus Parthia; K'ang-seng-k'ai, der aus dem Samarkana Gebiet stammte, kam etwa im 3. Jahrhundert nach Lo-yang und übersetzte das ,Sukhvativynha` (`Das Buch vom Unbegrenztem Leben`). Zudem kam Chu-fa-hu oder Dharmaraksha, der als Übersetzer des ,Saddharma pundarika bekannt ist, aus Tukhära und blieb von der 2. Hälfte des 3. Jahrhundert bis zu Beginn des 4. Jahrhundert in Lo-yang oder Ch'ang-an. Als Kumärajiva, der aus Kucha stammte, im Anfang des 5. Jahrhundert erschien, erreichte die Übersetzungsarbeit in China ihren Höhepunkt.

Seit ungefähr dieser Zeit begannen die Priester von China aus Indien zu besuchen, um Sanskrit zu lernen. Der Pionier solcher Priester war Fa-hsien (339-420 n. Chr.?), der im Jahre 399 von Ch'ang-an aus nach Indien reiste und erst fünfzehn Jahre später zurückkehrte. Der berühmteste dieser Priester war Hsuan-chuang (600-664 n. Chr.), der im Jahre 627 nach Indien ging und nach neunzehn langen Jahren 645 zurückkehrte. Außerdem erreichte I-ching (635-713 n. Chr.) über den Seeweg 671 Indien und kehrte fünfundzwanzig Jahre später auf gleichem Wege zurück.

Diese Priester besuchten Indien alle allein, um Sanskrit zu lernen und brachten die von ihnen ausgewählten Schriften mit, wobei sie die führende Rolle bei der Übersetzungsarbeit spielten. Insbesondere war die sprachliche Fähigkeit von Hsuan-chuang äußerst hervorragend, und durch seine energische Arbeit erreichte die Übersetzung der Schriften einen erneuten Höhepunkt in China. Die Arbeiten aus der früheren Zeit, für die Kumaräjva repräsentativ ist, werden von den Schülern Buddhas der späteren Zeit als `Alte Übersetzungen' und die jüngeren Übersetzungen als ,Neue Übersetzung Zungen bezeichnet.

Begründet auf der enormen Zahl buddhistischer Schriften, die von diesen Priestern aus dem Sanskrit übersetzt worden waren, wandte sich die Richtung des Denkens und religiösen Handelns dieser gelehrten Männer zwar stufenweise aber nachdrücklich dem Chinesenrum zu. Hier setzten sich offenbar das rassebedingte Wesen, die Bedürfnisse und Überzeugungen durch. Daß die Priester der frühen Stadien sich im metaphysischen Bereich besonders der ,Irrealität` zuwandten, die im Begriff ,Prajnä` der Surren zum Ausdruck kam, war eine weitere Manifestation dieser Tendenz. Später verwarfen sie den sogenannten ,Hinayana` oder das Kleine Fahrzeug und wandten sich ausschließlich dem ,Mahayana`, dem Großen Fahrzeug zu. Diese Tendenz wurde in der Tendai-Schule immer auffälliger, und man kann sagen, daß sie mit dem Erscheinen der Zen-Schule ihren Höhepunkt erreichte.

In der zweiten Hälfte des 6. Jahrhundert erreichte die Tendai Schule in China ihre volle Ausprägung, die von ihrem 3. Patriarchen Tendai Daishi, Chih-i (538-597 n. Chr.), vorgenommen wurde. Er war einer der hervorragendsten Gestalten im buddhistischen Denken, und die kritische Einteilung der Lehre Buddhas in fünf Perioden und acht Doktrinen, die von diesem Heiligen ausgearbeitet worden war, hatte lange Zeit einen großen Einfluß auf den Buddhismus in China und in Japan.

Ein Rückblick wird zeigen, daß in China die verschiedenen Sutras ungeachtet ihrer Reihenfolge der Entstehungszeit eingeführt und so wie sie kamen übersetzt wurden. Angesichts der riesigen Anzahl dieser Surren bestand das Problem darin, ihren Ursprung und ihren Wert herauszufinden. Es war notwendig, den Buddhismus als Ganzheit schätzen zu lernen und aufzuzeigen, wie man sich ihm gegenüber gemäß dem eigenen Verständnis zu verhalten hatte. Bei der Bewertung der Sutras kommt zuerst der Trend zum chinesischen Denkens zum Ausdruck. Vor allem war das Gedankengebäude von Chih-i sehr systematisch und von daher im höchsten Maße überzeugend. Jedoch mit Einsetzung der modernen Buddhismus-Forschung mußte selbst ein solch beherrschender Einfluß ein Ende finden.

In der Geschichte des Buddhismus in China war "das, was zuletzt kam" die Zen-Schule. Als ihr Gründer gilt Sramana, der aus einem fremden Land stammte, oder Bodhidharma (-528 n. Chr.); aber der Samen, den er gesät hatte, ging erst nach der Zeit von Hut-neng (638-713 n. Chr.) dem 6. Patriarch des Stromes auf. Nach Beendigung des 8. Jahrhunderts hatte diese Schule in China ständig viele talentierte Priester ausgesandt, so daß das Gedeihen des Zen für die Dauer einiger Jahrhunderte sichergestellt wurde.

Man kann daraus erkennen, daß ein neuer Weg buddhistischen Denkens existierte, der tief in der Natur des chinesischen Volkes verwurzelt war. Hierbei handelte es sich um nichts anderes, als um einen von der chinesischen Denkweise gefärbter Buddhismus. Und doch war die Kraft der Lehre Buddha Gautamas mit dieser neuen Strömung zu einem noch größeren Fluß angewachsen und bereicherte auf diese Weise die Länder im Osten.

5. JAPAN

Die Geschichte des Buddhismus in Japan begann im 6. Jahrhundert. 538 n.Chr. schickte der König Koreas seinen Gesandten, mit einem Buddha-Bild und Schriftenrollen von Surren versehen, an den Kaiserlichen Hof des Herrschers Kinmei. So wird die erste Berührung des Buddhismus mit diesem Land gekennzeichnet. Die Religionsgeschichte ist damit mehr als 1400 Jahre alt.

In dieser langen Geschichte können wir den Buddhismus mit drei Brennpunkten in Verbindung bringen. Der erste dieser Höhe punkte kann im Buddhismus des 7. und 8. Jahrhunderts gesehen werden. Um dies an äußeren Dingen darzustellen, kann man auf den Horyuji-Tempel (607 n. Chr.) und den Todaiji-Temple (752 n.Chr.) verweisen, die beide in dieser Zeit erbaut wurden. Blickt man auf diese Zeit zurück, so kann auch die Tatsache nicht übersehen werden, daß die Wogen der Kultur in ganz Asien zu jener Zeit ungewöhnlich hoch anstiegen. Im Verlauf dieser Periode nahm die Zivilisation im Osten einen erstaunlich aktiven und außergewöhnlichen Verlauf, während die des Westens in tiefer Dunkelheit verharrte. In China, Zentralasien, Indien und in den Südsee-Ländern waren die Aktivitäten auf dem intellektuellen, religiösen und künstlerischen Gebiet sehr stark ausgeprägt. Indem der Buddhismus zu diesen Bewegungen hinzukam, wusch er die östliche Welt mit seinem breiten Strom der Menschlichkeit. Und diese neue Entwicklung in der japanischen Kultur, die von den Bauten des glänzenden Horyuji und des ausgezeichneten Totaiji ebenso bezeugt wird wie durch die farbenprächtigen religiösen und künstlerischen Tätigkeiten, die in Verbindung mit diesen Ereignissen aufkamen, zeigte im Fernsten Osten den Atem der kulturellen Flutwelle, die die weiten Gebiete Asiens erfaßte.

Die Menschen dieses Landes, das sich lange Zeit in einem unzivilisierten Zustand befunden hatte, schwammen nun in der Strömung einer großen Kultur; die Blume der Zivilisation hatte sich ganz plötzlich geöffnet. Dies war eine gute Wendung zum Glück, das in diesen Jahrhunderten Japan so begünstigte. Und der Hauptvorkämpfer, der für diesen Aufstieg der Kultur verantwortlich war, war kein anderer als der Buddhismus. Daher wurden die buddhistischen Tempel dieser Zeit zu Zentren dieser glänzenden Kultur, und die Priester waren die Führer der neuen Lehre. Es entwickelte sich eine weitreichende und große Kultur, die mehr als nur eine Religion war. Dies war der tatsächliche Stand des Buddhismus, der zuerst auf dieses Land übertragen wurde.

Im neunten Jahrhundert erschienen zwei große Priester, Saicho (Dengyo Daishi, 767-822) und Kukai (Kobo Daishi, 774-835) und gründeten zwei buddhistische Schulen, die zusammen gewöhnlich als Heian-Buddhismus bezeichnet werden. Dies war die Grund legung eines rein japanischen Buddhismus. Sie nahmen den Buddhismus in seiner ursprünglichen Auslegung und Praxis an und gründeten die zentralen Klöster auf dem Berg Hiei und Koya. Im Laufe der dreihundert Jahre nach ihrer Gründung bis zur Kama kura-Periode fanden diese beiden esoterischen Schulen, Tendai und Shingon, hauptsächlich unter den Adligen und an den herrschaftlichen Höfen Anklang.

Der zweite der Höhepunkte ist im Buddhismus des 12. und 13. Jahrhunderts zu finden. Hier erschienen so bedeutende Priester wie Honen (1133-1212 n.Chr.), Shinran (1173-1262 n.Chr.), Dogen (1200-1253 n.Chr.), Nichtren (1222-1282 n.Chr.) usw. Wenn man vom japanischen Buddhismum spricht, kann man dies nicht tun, ohne die Namen dieser großen Priester zu erwähnen. Warum haben nur jene Jahrhunderte solche herausragende Männer hervorgebracht? Der Grund besteht wohl darin, daß zu jener Zeit ihnen allen ein ganz gewöhnliches Problem gegenüberstand. Und um welches gewöhnliche Problem handelte es sich? Vielleicht war es die Tatsache, daß der Buddhismus zwar akzeptiert wurde, aber auf eine einzigartige japanische Art und Weise.

Dies dürfte zu der Frage führen: Warum? War es nicht etwa so, daß der Buddhismus bereits lange vorher in dieses Land eingeführt worden war? Historisch gesehen verhielt es sich so. Aber ebenso sicher ist, daß mehrere hundert Jahre notwendig gewesen waren, bis sich das Volk dieses Landes die eingeführte Religion angeeignet und umgeformt hatte, um sie vollständig zu seiner eigenen zu machen. Kurz gesagt, im 7. und 8. Jahrhundert begannen die Bemühungen bezüglich der Anerkennung des Buddhismus, und als ein Ergebnis dieser Bemühungen, erblühte dieser durch jene Buddhisten des 12. und 13. Jahrhunderts.

Nach dieser Zeit hielt der Buddhismus in Japan, der auf der von diesen herausragenden Priestern geschaffenen Grundlage errichtet worden war, seinen Nachruhm bis heute aufrecht. Seit dieser Zeit, in der diese vorzüglichen Männer aufgetreten sind, gab es in der Geschichte des japanischen Buddhismus keine solcher Glanzpunkte jener Jahrhunderte mehr. Wie dem auch sei, nach Meinung des Autors gibt es etwas anderes, das Beachtung verdient, und dies sind die Ergebnisse der modernen Buddhismus-Forschung.

Seit der ersten Zeit des Erscheinens, war praktisch der gesamte Buddhismus in Japan Mahayana-Buddhismus, der unter dem Einfluß des chinesischen Buddhismus stand. Besonders nach dem

Auftreten der großen Priester des 12. und 13. Jahrhunderts bildete die Mahayana-Lehre die Hauptströmung, wobei ihr Zentrum die Begründer der Schulen bildeten, deren Ansichten bis heute bestimmend sind. In der Geschichte des japanischen Buddhismus als solchem begann das Studium des ursprünglichen Buddhismus schätzungsweise nach der Mitte der Meiji-Zeit. Die Gestalt Buddha Gautamas erschien wieder lebendiger vor denen, die fast die Tatsache vergessen hatten, daß es neben den Begründern der Schulen auch noch den Urheber des Buddhismus gab, und jenen, die nichts anderes als die Mahayana-Lehre beachteten, wurde klargemacht, daß es auch noch das systematische Bekenntnis des Buddhismus gab. Diese neuen Phasen verbleiben weiterhin in der Sphäre des schulischen Lernens und sind noch nicht stark genug, religiöse Begeisterung unter den Massen auszulösen. Aber es scheint so, als ob das Wissen der Menschen dieses Landes in bezug auf den Buddhismus eine Wendung macht. Der Autor möchte den Blick auf diese Phase richten, denn es geht hier um den dritten der erwähnten Höhepunkte .

 

DIE ÜBERLIEFERUNG DER LEHRE BUDDHAS

Buddhismus ist eine Religion, die auf den Lehren Shakyamunis basiert, die dieser fünfundvierzig Jahre seines Lebens verbreitete. Die Worte, die er in seiner Lehre verwendete, haben daher in dieser Religion absolute Autorität. Obwohl es 84000 Dharma-Tore und eine große Anzahl von Schulen gibt, existiert keine ohne Verbindung zu den Schriften Shakyamunis. Diese Bücher, in denen die Lehre Buddhas aufgezeichnet ist, sind unter dem Namen "Issai kyo" oder "Daizokyo" bekannt und stellen eine vollständige Sammlung der heiligen Schriften dar.

Shakyamuni trat ausdrücklich für die Gleichheit der Menschen ein und verbreitete die Lehre in schlichten und einfachen Worten des täglichen Lebens, damit jedermann ihn völlig verstehen konnte. Er setzte seine Lehrtätigkeit zum Wohl der Menschen bis zur letzten Minute seines Lebens im Alter von achtzig Jahren fort, ohne auch nur einen einzigen Tag in dieser langen Periode davon abzulassen.

Nach dem Ableben Shakyamunis verbreiteten seine Schüler die Lehre so, wie sie diese vernommen hatten. Da die Lehre übermittelt und weitererzählt wurde, können sich natürlicherweise verschiedene Veränderungen eingeschlichen haben, die durch unbewußte Irrtümer seitens der Schüler verursacht wurden bezüglich dessen, was sie glaubten gehört oder verstanden zu haben. Und dennoch mußten die Worte Shakyamunis ganz exakt und voll ständig übermittelt werden, und jedem und allen Menschen sollte ohne Diskriminierung Gelegenheit dazu gegeben werden, die Lehre zu hören. Daher kamen viele ältere Priester zusammen, um die Worte und Lehre zu berichtigen und zu festigen, indem sie sich gegenseitig vortrugen, was jeder glaubte gehört zu haben, und verbrachten so viele Monate mit Diskussionen zu. Das Werk, das auf diese Weise entstanden, ist unter dem Titel "Ketsujyu" bekannt. Daran zeigt sich wie hingebungsvoll und besonnen sie versucht hatten, genau diejenigen Worte zu übermitteln, die der große Priester gesprochen hatte.

Die Lehre, die nun auf diese Weise berichtigt war, wurde daraufhin aufgeschrieben. Der Lehre wurden Kommentare und Interpretationen hinzugefügt, die von gelehrten Priestern späterer Zeit verfaßt als "Ron" oder "Kommentare" bekannt wurden. Die eigentliche Lehre Buddhas, die Kommentare und die Buddhisti schen Vorschriften wurden "Sanzokyo" (Drei Abteilungen der Buddhistischen Schriften) oder in Sanskrit "Tripitaka"genannt.

"Sanzokyo" oder "Tripitaka" beinhaltet "Kyozo", "Ritsuzo" und "Ronzo"; "Zen" bedeutet Gefäß oder Behälter. Mit anderen Worten, "Kyo" bezieht sich auf die "Buddhistischen Lehren" "Ritsu" auf die "Vorschriften für eine Buddhistische Bruder schaft" und "Ron" aisf die von den Hohepriestern geschriebenen "Kommentare".

Der Überlieferung entsprechend soll der Buddhismus im Jahre 67 n.Chr., wärhend der Regierungszeit König Mings von der älteren östlichen Han-Dynastie (25-220 n.Chr.), in China eingeführt worden sein. In Wahrheit geschah dies aber 84 Jahre später, als die Buddhistischen Schriften von König Huan von der späteren östlichen Han-Dynastie nach China eingeführt und übersetzt wurden (151 n.Chr). Seitdem wurden die Bemühungen, die Schriften in die chinesischen Sprache zu übersetzen, mehr als 1700 Jahre lang weitergeführt. Die Anzahl dieser übersetzten Bücher betrug 1440 Schriften in 5586 Bänden. Die Anstrengungen zur Erhaltung dieser übersetzten Schriften wurden bereits während der Wei-Dynastie unternommen, aber erst etwa in der Zeit der nördlichen Sung-Dyanstie wurde mit dem Druck begonnen. Seit dieser Zeit kamen noch die Arbeiten der Hohepriester hinzu, so daß es nicht mehr angemessen erschien, diese Bücher als "Tripitaka" zu bezeichnen. In der Ära Suei's wurde ihnen deshalb der Titel "Issaikyo" oder eine "Vollständige Sammlung aller heiligen Schriften" gegeben, und in der Tang-Ära wurden sie "Daizokyo" oder die "Sammlung aller Buddhistischen Schriften, Gesetze und Abhandlungen" genannt.

In Tibet wurde der Buddhismus im 7. Jahrhundert n. Chr. eingeführt, und für mehr als 150 Jahre, d.h. während des 9.-11. Jahrhunderts wurden die Bemühungen um eine Übersetzung der Buddhistischen Schriften fortgesetzt, so daß in dieserZeit praktisch alle übersetzt wurden.

 

Angesichts der Tatsache, daß die Schriften nicht nur ins Koreanische, Japanische, Ceylonesische, Kambodschanische, Türki sche und in fast alle orientalischen Sprachen übersetzt. worden waren, sondern auch ins Lateinische, Französische, Englische und Italienische, kann mit Sicherheit gesagt werden, daß der Segen, der von Buddhas Lehre ausgeht, nun in jede Ecke der Welt verteilt worden ist.

Zieht man jedoch bei nochmaliger Erwägung die Qualität der Übersetzungen, die Geschichte der Entwicklung und der Wechsel fälle dieser Religion während mehr als 2000 Jahre mit 10000 oder mehr Übersetzungen der Bücher in Betracht, so scheint es dennoch schwierig zu sein, die wahre Bedeutung der von Shakyamuni gesprochenen Worte zu erfassen, selbst mit Hilfe des "Daizokyo". Es ist daher unerläßlich, jene wichtigen Punkte aus dem "Daizo kyo" herauszugreifen und diese zum Kriterium bzw. zur Grundlage des Vertrauens an diese Religion zu machen.

Im Buddhismus sind die Worte Shakyamunis oberste Autorität. Daher muß die Lehre des Buddhismus eine Lehre sein, die eng mit der Wirklichkeit unseres täglichen Lebens verbunden und vertraut ist. Andernfalls wird es nicht möglich sein, das menschliche Herz aus seinen Tiefen zum Vertrauen in die Lehren zu erheben. Damit die Lehre eine solche ist, die wir uns zu eigen machen können, muß sie schlicht, einfach, in ihrem Wesen objektiv und zudem in der Lage sein, alles zu erfassen und dabei gleichzeitig treffende und vertraute Worte des täglichen Lebens benutzen.

Dieses Buch entstand eingedenk der obigen Überlegungen, die "Strömung" des "Daizokyo" mit seiner mehr als zweitausend jährigen Geschichte zu übernehmen. Diese Veröffentlichung kann natürlich vom Umfang her nicht vollkommen sein. Die Worte Buddhas sind in ihrer Bedeutung unendlich tief, und seine Tugenden sind grenzenlos, so daß es nicht leicht ist, ihnen gerecht zu werden.

Es ist daher äußerst wünschenswert, dieses Buch zu einem noch wahrhaftigeren und wertvolleren zu gestalten, da beabsichtigt wird, künftig eine revidierte Ausgabe herauszubringen.

 

DIE GESCHICHTE DES BUCHES , DIE LEHRE BUDDHAS"

Dieser buddhistische Text basiert auf einer revidierten und zusammengestellten Ausgabe des japanischen Originals "Neuübersetzung des buddhistischen Urtextes", das im Juli 1925 von der Gesellschaft der Verbreitung der "Neuübersetzung des buddhistischen Urtextes" veröffentlicht und von Rev. Muan Kizu vorgestellt wurde. Diese erste japanische Ausgabe wurde von Professor Shugaku Yamabe und Professor Chizen Akanuma in Zusammen arbeit mit vielen buddhistischen Schülern in Japan zusammen gestellt, und es dauerte fast fünf Jahre, sie zu veröffentlichen.

In der Showa-Ära (1926- ) wurde auch die "Volksausgabe des buddhistischen Textes" auf Japanisch von der Gesellschaft veröffentlicht und.überall in Japan verbreitet.

Im Juli 1934, als das Treffen der Pan-pazifischen buddhistischen Jugend in Japan abgehalten wurde, wurde "Die Lehre Buddhas", die englische Übersetzung der oben erwähnten "Volksausgabe des buddhistischen Textes" von dem buddhistischen Jugendverband für ganz Japan, mit der Unterstützung von Herrn D. Goddard, als eine seiner Arbeiten veröffentlicht. 1962, anläßlich des siebzigjährigen Jubiläums der Einführung des Buddhismus in Amerika, veröffentlichte Herr Yehan Numata, der Präsident der Mitutoyo Gesellschaft, eine weitere englische Ausgabe von "THE TEACHING 0F BUDDHA."

Als Herr Numata 1965 in Tokio die Gesellschaft zur Förderung des Buddhismus gründete, war die Verbreitung dieses englischen Textes auf der ganzen Welt als eine der Aktivitäten dieser Stiftung geplant.

Um diesen Plan zu verwirklichen, wurde 1966 ein Ausschuß gebildet, der diese "Lehre Buddhas" überarbeiten und zusammen stellen sollte. Mitglieder des Ausschusses waren die Professoren Kazuyoshi Kino, Shuyu Kanaoka, Zenno Ishigami, Shinko Sayeki, Kodo Matsunami, Shojun Bando und Takemi Takase. Herr N.A. Waddell und Herr Shunsuke Shimizu arbeiteten bei der Überarbeitung auch mit. So wurde eine englisch japanische Ausgabe der Lehre Buddhas" in neuer Form veröffentlicht.

" 1972 stellten die Professoren Shuyu Kanaoka, Zenno Ishigami, Shoyu Hanayama, Kansei Tamura und Takemi Takase Fehler richtig, überarbeiteten den Text und stellten ihn neu zusammen.

Wiederum 1974, überarbeiteten die Professoren Shojun Bando, Kodo Matsunami, Shinko Sayeki, Kansei Tamura, Doyu Tokunaga und Shoyu Hanayama (Hauptherausgeber) unter der Leitung von Herrn R. K. Steinar den Text, um unpassende und ungenaue Ausdrücke in der englischen Version des Textes zu berichtigen. So wurde die englisch-japanische Ausgabe der "Lehre Buddhas" in gegenwärtiger Form als Ergebnis ihrer Arbeit veröffentlicht. Anläß lich eines von Herrn Shinroku Inouye angeregten Treffens über einige Themen in den Jahren 1978 und 1980, entschloß sich die obige Redaktion, die Professoren Shigeo Kamata und Yasuaki Nara miteingeschlossen, das Buch erneut zu überarbeiten. Als Resultat ihrer Mühen ist auf diese Weise die gegenwärtige Englisch Japanische Ausgabe von "Die Lehre Buddhas" veröffentlicht worden.

1980 wurde festgestellt, daß die Zeit däfür reif war, dieses Buch in noch weitere Sprachen als in die vier (Englisch, Französisch, Portugiesisch und Spanisch), in die es bereits übertragen worden war, zu übersetzen. So bat die Gesellschaft noch einmal Herrn Steinar, die Englische Ausgabe aufzuarbeiten und zu verbessern, da diese die Grundlage für die Deutsche, Italienische, Griechische, Chinesische, Holländische und Nepalesische bilden sollte.

Wiederum 1981, um dieses Buch leichter lesbar zu machen, bat die Gesellschaft einige japanische und amerikanische Schüler Höherer Schulen, dieses Buch durchzulesen, und befragten sie nach der Meinung. Wir tauschten danach mit den Schülern die Meinungen aus und diskutierten die vorzunehmenden Änderungen. Das Ergebnis dieses Meinungsaustausches war das neubearbeitete vorliegende Buch.

 

Die deutsche Übersetzung wurde von Herrn Professor Shoei Ono vorgenommen, und Frau Professorin Friedl Ito, Rev. Gerhard Keil, Rev. Adrian Peel, Herr Professor Dr. R. Kornmann, Frl. M. Schneider, Herr Dr. Job Iizuka und Herr Professor Michio Sato lasen sie, gaben wertvolle Ratschläge und nahmen zahlreiche Verbesserungen vor, die hier berücksichtigt wurden. Vor allem haben Frau Professorin Friedl Ito, Rev. Gerhard Keil, Herr Pro fessor Dr. R. Kornmann und Frl. M. Schneider dem Übersetzer wertvolle Hinweise auch in bezug auf die Ausdrucksweise gegeben, so daß die Übersetzung in dieser Form erscheinen konnte.

Rev. Keil meinte, daß man die Wörter und Wendungen, die dem Christentum entnommen sind, möglichst vermeiden sollte. Auch der Übersetzer vertrat grundsätzlich dieselbe Meinung, aber er sah sich gezwungen, unter Umständen aus dem Satzzusammenhang heraus auch dem Christentum entliehene Ausdrücke zu benutzen. Da gab es also einen feinen Meinungsunterschied.

Im Verlauf von einigen Besprechungen stimmten dann Herr Professor S. Hanayama, Herr Professor K. Tamura, Herr Professor N. Tamaru und der Übersetzer überein, diese Fragen der Entscheid ung des Übersetzers zu überlassen.

Herr Professor Ono hat das Buch aufgrund vieler Ratschläge und Besprechungen und überdies nach seinen eigenen Überlegungen fertiggeschrieben.

Wir hoffen, daß dieses Buch im deutschen Sprachkreis weite Verbreitung findet und bitten die Leser, freundlicherweise ihre Meinung über dieses Buch zu äußern.

April, 1982

 

 

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