Erstes Kapitel

DER WEG DER LÄUTERUNG

I

DIE LÄUTERUNG DES GEISTES

1. Die Menschen besitzen irdische Leidenschaften, durch die sie zu Irrglauben und Leiden gelangen. Es gibt fünf Wege, wie sie sich von den Fesseln der irdischen Leidenschaften befreien können.

Erstens sollten die Menschen richtige Vorstellungen von den Dingen entwickeln - Vorstellungen, die auf sorgfältiger Beobachtung beruhen und durch welche die Ursachen und Wirkungen sowie deren Bedeutung richtig verstanden werden können, Die Ursache des Leidens wurzelt in den Begierden und Neigungen des Geistes, und Begierde und Neigung beruhen auf der falschen Beobachtung eines Ich, welche die Bedeutung des Gesetzes von Ursache und Wirkung vernachlässigt. Da beide von dieser falschen Beobachtung herrühren, kann nur Friede sein, wenn der Geist sich von diesen irdischen Leidenschaften befreit.

Zweitens können die Menschen diese falsche Beobachtung und die daraus folgenden irdischen Leidenschaften durch sorgfältige und geduldige Geisteskontrolle überwinden. Auf diese Weise können sie die Begierden vermeiden, die durch die Erregung der Augen, Ohren, Nase, Zunge, Haut und die darauffolgenden geistigen Prozesse entstehen. Sobald sie dies tun, wird die Wurzel aller irdischen Leidenschaften abgeschnitten werden.

Drittens sollten sie korrekte Vorstellungen über den richtigen Gebrauch aller Dinge entwickeln. Das heißt, was die Lebensmittel und Kleidung betrifft, so sollten sie dabei nicht an Bequemlichkeit und Vergnügen denken, sondern allein an die Bedürfnisse des Körpers. Kleidung ist notwendig, um den Körper gegen äußerste Wärme und Kälte zu schützen, das Schamgefühl zu schützen. Nahrung ist für die Erhaltung des Körpers notwendig, während dieser der Erleuchtung und Erlangung der Buddhaschaft dient. Irdische Leidenschaften können durch solch eine richtige Denkweise nicht entstehen.

Viertens sollten die Menschen Erdulden lernen; sie sollten lernen, Unbequemlichkeiten wie Hitze und Kälte, Hunger und Durst zu erdulden; sie sollten lernen, es geduldig zu ertragen, wenn sie gekränkt und verachtet werden, denn sich im Erdulden zu üben, löscht das Feuer der irdischen Leidenschaften aus, das ihre Körper verbrennt.

Fünftens sollten die Menschen lernen, jede Gefahr zu erkennen und zu vermeiden. Genauso wie sich ein weiser Mensch von wilden Pferden oder tobenden Hunden zurückhält, so sollte man sich nicht mit bösen Menschen anfreunden, noch sollte man Orte aufsuchen, die von weisen Menschen gemieden werden. Ist man vorsichtig und vernünftig, wird das Feuer der irdischen Leidenschaften, das in den Organen brennt, erlöschen.

2. Es gibt fünf Arten von Begierden in der Welt. Begierden, die durch die Formen, welche die Augen wahrnehmen, hervorgerufen werden; Begierden, die durch die Geräusche, welche die Ohren hören, hervorgerufen werden; Begierden, die durch die Wohlgerüche, welche die Nase riecht, hervorgerufen werden; Begierden, die durch den Geschmack, der angenehm für die Zunge ist, hervorgerufen werden; Begierden, die für den Tastsinn angenehm sind. Von diesen fünf Türen zur Begierde stammt die Vorliebe des Körpers zur Bequemlichkeit.

Die meisten Menschen, die durch die Vorliebe ihres Körpers zur Bequemlichkeit beeinflußt werden, bemerken nicht die karmischen Verwicklungen, die der Bequemlichkeit folgen. Sie sind in der Falle des Übels gefangen wie das Wild im Wald in der Falle des Jägers gefangen ist. In der Tat sind diese fünf Türen der Begierden, die durch die Sinne hervorgerufen werden, die gefährlichsten Fallen. Menschen, die in sie hineingeraten, sind in irdische Leidenschaften und Leiden verwickelt. Deshalb sollten sie den Weg erkennen, auf dem man diese Fallen vermeiden kann.

3. Es gibt viele Wege, sich aus der Falle der weltlichen Leidenschaften zu befreien. Angenommen, sie fangen eine Schlange, ein Krokodil, einen Vogel, einen Hund, einen Fuchs und einen Affen, sechs Geschöpfe von sehr unterschiedlicher Natur, binden sie mit einem starken Seil zusammen und lassen sie dann gehen. Jedes dieser sechs Geschöpfe wird versuchen, auf seine eigene Art und Weise in sein eigenes Lager zurückzukehren: Die Schlange wird den Schutz des Grases suchen, das Krokodil wird das Wasser suchen, der Vogel wird in die Luft fliegen wollen, der Hund wird ein Dorf suchen, der Fuchs wird ein einsames Lager suchen, und der Affe wird die Bäume eines Waldes suchen. Bei dem Versuch eines jeden Tieres, seinen eigenen Weg zu gehen, wird ein Kampf entstehen, aber da sie durch ein Seil zusammengebunden sind, wird der Stärkste die anderen zu jeder Zeit mitschleifen.

Wie die Geschöpfe in dieser Parabel, so unterliegt der Mensch auf verschiedene Weise der Versuchung, bedingt durch die Begierden seiner sechs Sinne - Augen, Ohren, Nase, Zunge, Tastsinn und Verstand - und wird durch die jeweils vorherrschende Begierde kontrolliert.

Wenn die sechs Geschöpfe alle an einen Pfosten gebunden worden wären, würden sie versuchen, sich zu befreien bis sie müde sind und dann würden sie sich am Pfosten niederlegen. Genauso werden die anderen fünf Sinne keine weiteren Schwierigkeiten mehr machen, wenn die Menschen die Sinne trainieren und kontrollieren würden. Wenn die Sinne unter Kontrolle stehen, werden die Menschen sowohl jetzt als auch zukünftig glücklich sein.

4. Die Menschen lieben ihre egoistische Bequemlichkeit, die Sucht nach Ehre und Ruhm. Aber Ehre und Ruhm sind wie Weihrauch, der sich selbst aufbraucht und bald verraucht. Wenn die Menschen Ehren und öffentlichem Beifall nachjagen und den Weg der Wahrheit verlassen, gelangen sie in ernsthafte Gefahr und werden bald Grund zur Reue haben.

Ein Mensch, der Ruhm, Reichtum und Liebesaffären nachjagt, ist wie ein Kind, das Honig von der Klinge eines Messers leckt. Während er die Süße des Honigs schmeckt, muß er riskieren, seine Zunge zu verletzen. Er ist wie ein Mensch, der eine Fackel gegen einen starken Wind trägt; die Flamme wird sicher seine Hände und sein Gesicht verbrennen.

Man darf nicht seinem eigenen Geist trauen, der voller Begierde, Zorn und Unersättlichkeit ist. Man darf seinen Geist nicht frei laufen lassen, sondern muß ihn unter strenger Kontrolle behalten.

5. Vollkommene Geisteskontrolle zu erlangen, ist eine äußerst schwierige Aufgabe. Jene, die Erleuchtung suchen, müssen zuerst das Feuer aller Begierden löschen. Die Begierde ist ein wütendes Feuer, und wer Erleuchtung sucht, muß das Feuer der Begierde meiden so wie ein Mann, der ein Bündel Heu trägt, Funken vermeidet.

Aber es wäre töricht von einem Menschen, wenn er seine Augen herausreißen würde, aus Furcht, durch schöne Gestalten in Versuchung zu geraten. Der Geist ist der Herr, und steht er unter Kontrolle, werden die niedrigen Begierden verschwinden.

Es ist schwierig, dem Weg zur Erleuchtung zu folgen, aber es ist noch schwieriger, solch einen Weg zu suchen, wenn Menschen keinen Sinn dafür haben. Ohne die Erleuchtung herrscht endloses Leiden in dieser Welt des Lebens und des Todes.

Wenn ein Mensch den Weg zur Erleuchtung sucht, so ist das mit einem Ochsen vergleichbar, der eine schwere Last durch ein Feld voller Schlamm trägt. Wenn der Ochse sein Bestes tut, ohne auf andere Dinge zu achten, kann er den Schlamm überwinden und sich ausruhen. Ebenso ist es, wenn der Geist unter Kontrolle gerät, und auf dem richtigen Pfad gehalten wird. So wird es keinen Morast aus Habgier geben, der ihn behindert, und all sein Leiden wird verschwinden.

6. Jene, die den Pfad der Erleuchtung suchen, müssen zuerst jeden egoistischen Stolz ablegen und bescheiden sein, das Licht der Lehren Buddhas anzunehmen. Alle Schätze der Erde, all das Gold, Silber und die Ehren, sind nichts im Vergleich zur Weisheit und Tugend.

Um die Gesundheit zu erhalten, um seiner Familie wahres Glück zu bringen, um allen Menschen Frieden zu bringen, muß man zuerst seinen eigenen Geist disziplinieren und kontrollieren. Wenn ein Mensch seinen Geist kontrollieren kann, kann er den Weg zur Erleuchtung finden und alle Weisheit und Tugend auf natürliche Weise erlangen.

So wie Schätze aus der Erde freigelegt werden, so bringen gute Taten die Tugend zutage, und Weisheit kommt von einem reinen und friedlichen Geist. Um sicher durch den Irrgarten des menschlichen Lebens zu gehen, benötigt man das Licht der Weisheit und die Führung der Tugend.

Die Lehre Buddhas, die den Menschen darauf hinweist; wie man Habgier, Zorn und Unersättlichkeit überwindet, ist eine gute Lehre, und jene, die ihr folgen, erlangen die Glückseligkeit eines guten Lebens.

7. Menschliche Wesen neigen dazu, sich in die Richtung ihrer Gedanken zu bewegen. Wenn sie habgierige Gedanken hegen, werden sie habgieriger. Wenn sie zornige Gedanken haben, werden sie zorniger. Wenn sie an Gedanken der Rache festhalten, werden ihre Füße sich in diese Richtung bewegen.

Zur Erntezeit halten die Bauern ihre Viehherden eingesperrt, damit diese nicht die Zäune niederrennen, auf die Felder laufen und somit Anlaß zur Beschwerde geben oder gar getötet werden; die Menschen müssen ihren Geist vor Unredlichkeit und Mißgeschick streng hüten. Sie müssen Gedanken auslöschen, die Habgier, Zorn und Unersättlichkeit erregen, aber Gedanken fördern, die zur Nächstenliebe und Freundlichkeit anregen.

Wenn der Frühling kommt, und die Weiden voll grünen Grases sind, treiben die Bauern ihr Vieh auf die Weiden, aber selbst dann passen sie gut auf es auf. So verhält es sich auch mit dem Geist der Menschen: Selbst unter den besten Bedingungen wird es der Geist ertragen müssen, beobachtet zu werden.

8. Einmal hielt sich der Shakyamuni Buddha in der Stadt Kausambi auf. In dieser Stadt lebte jemand, der den Buddha nicht mochte und schlechte Menschen dazu anstiftete, falsche Geschichten über ihn in Umlauf zu bringen. Unter diesen Umständen war es schwierig für Buddhas Schüler, durch ihr Betteln ausreichend Nahrung zu bekommen, und es gab viele Schmähungen in dieser Stadt.

Ananda sprach daraufhin zu Shakyamuni: "Wir täten besser daran, nicht in einer Stadt wie dieser zu bleiben. Es gibt andere und bessere Städte, in die man gehen kann. Wir sollten diese Stadt lieber verlassen."

Der Gesegnete aber erwiderte: "Nehmen wir an, die nächste Stadt ist wie diese, was sollen wir dann machen?"

"Dann werden wir in eine andere ziehen."

Der Gesegnete sprach: "Nein, Ananda, so wird das kein Ende nehmen. Wir sollten lieber hier bleiben und die Schmähung geduldig ertragen, bis sie aufhört, und erst dann werden wir an einen anderen Ort ziehen. Es gibt Gewinn und Verlust, Ehre und Verleumdung, Lobpreis und Schmähung, Vergnügen und Leiden in dieser Welt. Der Erleuchtete wird durch diese äußeren Dinge nicht beeinflußt; sie werden so schnell verschwinden wie sie gekommen sind."

Il DER WEG DES RICHTIGEN VERHALTENS

1. Jene, die den Weg der Erleuchtung suchen, müssen immer an die Notwendigkeit denken, fortwährend ihren Körper, ihre Reden und ihr Denken rein zu halten. Um den Körper rein zu halten, darf man kein Lebewesen töten, nicht stehlen oder Ehebruch begehen. Um die Rede rein zu halten, darf man nicht lügen, verschmähen, täuschen oder in leerem Geschwätze schwelgen. Um das Denken rein zu halten, muß man jede Habgier, Zorn und falsches Urteil tilgen.

Wenn der Geist unrein wird, dann werden auch unsere Taten sicher unrein sein; sind die Taten unrein, wird es Leid geben. Deshalb ist es von größter Bedeutung, den Geist und Körper reinzuhalten.

2. Es war einmal eine reiche Witwe, die ihrer Freundlichkeit, Bescheidenheit und Höflichkeit wegen bekannt war. Sie hatte eine Hausmagd, die weise und fleißig war.

Eines Tages dachte die Magd: "Meine Herrin hat einen sehr guten Ruf. Ich möchte gern wissen, ob sie von Natur aus gut ist oder allein aufgrund ihrer Umgebung. Ich will sie prüfen und es herausfinden."

Am folgenden Morgen erschien die Magd erst kurz vor Mittag vor ihrer Herrin. Die Herrin war verärgert und schalt sie ungeduldig. Die Magd erwiderte: "Wenn ich nur einen oder zwei Tage lang faul bin, sollten Sie nicht gleich ungeduldig werden." Da wurde die Herrin zornig.

Am nächsten Tag stand die Magd wieder zu spät auf. Das machte die Herrin sehr zornig, und sie schlug die Magd mit einem Stock. Dieser Zwischenfall wurde weit und breit bekannt, und die reiche Witwe verlor ihren guten Ruf.

3. Viele Menschen sind wie diese Frau. Solange ihre Umgebung zufrieden mit ihnen ist, sind sie freundlich, bescheiden und ruhig, aber es ist fraglich, ob sie sich genauso verhalten, wenn sich die Lebensbedingungen verändern und für sie unbefriedigend werden.

Nur wenn eine Person sich einen reinen und friedfertigen Geist bewahrt und fortfährt, mit Güte zu handeln, wenn unangenehme Worte an ihr Ohr dringen, andere ihr gegenüber Feindseligkeit zeigen oder es ihr an ausreichender Nahrung, Kleidern und Unterkunft man gelt, darf sie ,gut` genannt werden.

Deshalb sind jene, die nur gute Taten begehen und einen friedfertigen Geist bewahren, wenn ihr Leben zufriedenstellend ist, keine wirklich guten Menschen. Nur diejenigen, die den Lehren Buddhas folgen und ihre Sinne und Körper durch jene Lehren trainiert haben, können wahrhaftig gute, bescheidene und friedfertige Menschen genannt werden.

4. Was die Eignung der Worte, die benutzt werden sollen, betrifft, so gibt es fünf Paare von Antonymen: Worte, die zu ihren Anlässen passen und solche, die nicht dafür geeignet sind; Worte, die zu den Tatsachen passen und solche, die nicht dazu passen; Worte, die angenehm klingen und solche, die hart klingen; Worte, die vorteilhaft sind und solche, die schädlich sind; sowie Worte, die mitfühlend sind und solche, die haßerfüllt sind.

Welche Worte wir auch immer äußern, sie sollten mit Sorgfalt gewählt werden, denn die Menschen werden sie hören und dadurch zum Guten oder Bösen beeinflußt werden. Wenn unsere Sinne von Sympathie und Erbarmen erfüllt sind, werden sie den bösen Worten, die wir hören, widerstehen. Wir dürfen keine ungestümen Worte über unsere Lippen bringen, da sie Gefühle des Zorns und des Hasses hervorrufen. Die Worte, die wir aussprechen, sollten immer Worte der Zuneigung und der Weisheit sein.

Nehmen wir an, es gibt einen Menschen, der den ganzen Schmutz vom Boden entfernen möchte. Er benutzt dafür einen Spaten und eine Wanne und arbeitet beharrlich, indem er den Schmutz überall verstreut: aber dies ist eine unbrauchbare Arbeit. Wie diese törichte Person können wir nicht hoffen, alle gesprochenen Worte auszulöschen. Wir müssen unsere Sinne trainieren und sie mit Sympathie füllen, so daß sie durch die Worte, die von anderen gesprochen werden, unberührt bleiben.

Man könnte versuchen, ein Bild mit Wasserfarben auf den blauen Himmel zu malen, aber das ist unmöglich. Und es ist genauso unmöglich, einen großen Fluß durch die Hitze einer Fackel aus Heu auszutrocknen, oder durch das Aneinanderreihen zweier gut gegerbter Lederstücke ein knisterndes Geräusch zu verursachen. Wie diese Bei spiele zeigen, sollten Menschen ihre Sinne trainieren, so daß diese nicht durch die Worte, welche sie auch immer hören mögen, getrübt werden können.

Sie sollten ihre Sinne trainieren und sie so offen halten wie die Erde, so unbegrenzt wie der Himmel, so tief wie ein großer Fluß und so weich wie ein gut gegerbtes Leder.

Wenn Dein Feind Dich fängt und quält, empfindest Du Haß, dann folgst Du nicht den Lehren Buddhas. Unter allen Umständen solltest Du lernen zu denken: "Mein Geist ist unerschütterlich. Worte des Hasses und des Zorns sollen nicht über meine Lippen kommen. Ich werde meinen Feind mit Gedanken der Zuneigung und des Mitleids umgeben, die aus einem Geist strömen, der von Mitgefühl für das ganze empfindende Leben erfüllt ist."

5. Es existiert eine Fabel über einen Mann, der einen Ameisenhügel fand, welcher zur Tageszeit brannte und nachts rauchte. Er ging zu einem weisen Mann und bat ihn um Rat, was er tun sollte. Der weise Mann sagte ihm, er solle mit einem Schwert hineinstoßen. Dies tat der Mann. Er fand nacheinander ein Türschloß, einige Wasserblasen, eine Mistgabel, eine Schachtel, eine Schildkröte, ein Metzgermesser, ein Stück Fleisch, und schließlich kam ein Drachen heraus. Der Mann berichtete dem Weisen, was er gefunden hatte. Der weise Mann erklärte dessen Bedeutung und sprach: "Wirf alles weg außer dem Drachen. Laß den Drachen in Ruhe und störe ihn nicht."

Dieb ist eine Fabel, in der "Ameisenhügel" den menschlichen Körper darstellt. "Brannte zur Tageszeit" stellt die Tatsache dar, daß die Menschen am Tage die Dinge in Taten umsetzen, über die sie in der vorhergehen den Nacht nachgedacht haben. "Rauchte nachts" weist darauf hin, daß sich die Menschen in der Nacht mit Vergnügen oder Bedauern die Dinge ins Gedächtnis zurückrufen, die sie am vorhergehenden Tage taten.

In derselben Fabel bedeutet "ein Mann" eine Person, die Erleuchtung sucht. "Ein weiser Mann" steht für Buddha. "Ein Schwert" bedeutet reine Weisheit. "Ein dringen" verweist auf die Anstrengung, die der Mensch aufbringen muß, um Erleuchtung zu erlangen.

Weiterhin stellt "Türschloß" in der Fabel die Unwissenheit dar. "Blasen" sind Rauchwölkchen des Leidens und des Zorns. "Mistgabel" spielt auf Unschlüssigkeit und Unsicherheit an. "Schachtel" weist auf die Speicherung von Habgier, Zorn, Faulheit, Wankelmut, Zerknirschung und Irrglauben hin. "Schildkröte" bedeutet Geist. "Metzgermesser" bedeutet die Synthese der fünf sinnlichen Begierden, und "ein Stück Fleisch" steht für das daraus resultierende Verlangen, das einen Menschen dazu veranlaßt, nach Befriedigung zu trachten. Diese Dinge sind für einen Menschen alle schädlich, und deshalb sprach Buddha: "Wirf alles weg."

Weiterhin weist "Drachen" auf einen Geisteszustand hin, der alle irdischen Leidenschaften ausgelöscht hat. Wenn ein Mensch mit dem Schwert der Weisheit in die Dinge um sich herum sticht, wird er schließlich zu seinem Drachen gelangen. "Laß den Drachen in Ruhe und störe ihn nicht" bedeutet, danach zu streben und seinen Geist von den irdischen Leidenschaften freizugraben.

6. Pindola, ein Jünger Buddhas, kehrte, nachdem er Erleuchtung erlangt hatte, an seinen Geburtsort Kausambi zurück, um die Leute dort für die Freundlichkeit, die sie ihm gegenüber gezeigt hatten, zu belohnen. Damit bereitete er das Feld für den Buddha-Samen vor.

In der näheren Umgebung von Kausambi gibt es einen kleinen Park, der am Ufer des Ganges entlang verläuft und von endlosen Reihen Kokosnußbäumen überschattet ist, und wo fortwährend ein kühler Wind weht.

An einem heißen Sommertag saß Pindola meditierend im kühlen Schatten eines Baumes, als Lord Udyana mit seinen Gefährten zur Erholung in diesen Park kam. Nach der Musik und dem Vergnügen machte dieser ein Nickerchen im Schatten eines anderen Baumes.

Während ihr Herr schlief, machten seine Frauen und diensttuenden Hofdamen einen Spaziergang und stießen plötzlich auf Pindola, der dasaß und meditierte. Sie erkannten ihn als einen heiligen Mann und baten ihn, sie zu lehren, und sie lauschten seiner Predigt.

Als der Herr aus seinem Schlaf erwachte, machte er sich auf die Suche nach seinen Damen und fand sie, wie sie um diesen Mann herumsaßen und seiner Lehre lauschten. Da der Herr eifersüchtigen und wollüstigen Sinnes war, wurde er zornig und verschmähte Pindola, indem er zu diesem sprach: "Es ist unentschuldbar, daß du, ein heiliger Mann, mitten unter Frauen sitzt und dich des eitlen Geschwätzes mit ihnen erfreust." Pindola schloß ruhig seine Augen und schwieg.

Der zornige Herr zog sein Schwert und bedrohte Pindola, aber der heilige Mann blieb ruhig und so standhaft wie ein Felsen. Dies machte den Herrn noch zorniger. Er brach einen Ameisenhaufen auf und warf etwas von der mit Ameisen gefüllten Erde auf Pindola, aber dieser blieb immer noch meditierend sitzen und erduldete ruhig die Beleidigung und den Schmerz.

Daraufhin schämte sich der Herr über sein grausames Verhalten und bat Pindola um Verzeihung. Als Ergebnis dieses Zwischenfalls hielt die Lehre Buddhas ihren Einzug in das Schloß des Herrn, und von dort verbreitete sie sich über das ganze Land.

7. Einige Tage später besuchte Lord Udyana Pindola in der Abgeschiedenheit des Waldes und fragte ihn: "Verehrter Lehrer, wie kommt es, daß die Schüler Buddhas ihren Körper und ihren Geist rein halten und von der sinnlichen Begierde nicht in Versuchung geführt werden können, obwohl sie meist junge Männer sind?"

Pindola erwiderte: "Edler Herr, Buddha hat uns gelehrt, alle Frauen zu achten. Er hat uns gelehrt, alle alten Frauen als unsere Mütter zu betrachten, jene, die in unserem Alter sind, als unsere Schwestern, und die jüngeren als unsere Töchter. Wegen dieser Lehren können die Jünger Buddhas ihren Körper und ihren Geist rein halten und werden von der sinnlichen Begierde nicht in Versuchung geführt, obwohl sie noch so jugendlich sind."

"Aber, Verehrter Lehrer, man kann auch unreine Gedanken über eine Frau haben, die im Alter einer Mutter, einer Schwester oder einer Tochter ist. Wie kontrollieren Buddhas Jünger ihre Begierden?"

"edier Herr, der Erwachte lehrte uns, an unseren Körper als etwas zu denken, das Unreinheiten aller Art wie Blut, Eiter, Schweiß und Öle - absondert; indem wir daran denken, können wir, obwohl wir jung sind, unseren Geist rein halten."

"Ehrenwerter Lehrer," drängte der Lord. "Es mag für Euch leicht sein, dies zu tun, denn Ihr habt Euren Körper und Euren Geist geschult und Eure Weisheit verfeinert, aber es wäre schwierig für jene, die noch keine solche Schulung gehabt haben. Sie mögen versuchen, sich an die Unfeinheiten zu erinnern, aber ihre Augen werden schönen Gestalten folgen. Sie mögen versuchen, die Häßlichkeit zu sehen, aber sie werden durch die schönen Gestalten dennoch in Versuchung geführt wer den. Es muß einen anderen Grund dafür geben, daß die jungen Männer unter den Jüngern Buddhas ihre Handlungen rein halten können."

"Edler Herr," erwiderte Pindola, "der Erwachte lehrte uns, die Türen der fünf Sinne zu bewachen. Wenn wir schöne Gestalten und Farben mit unseren Augen sehen, wenn wir angenehme Klänge mit unseren Ohren hören, wenn wir Wohlgeruch mit unserer Nase riechen, wenn wir süße Dinge mit unserer Zunge schmecken oder weiche Dinge mit unseren Händen berühren, dürfen wir weder von diesen Dingen angezogen noch von unattraktiven Dingen abgestoßen werden. Der Erwachte lehrte uns, die Türen dieser fünf Sinne sorgfältig zu bewachen. Durch diese Lehre des Erwachten können sogar junge Schüler ihren Geist und ihren Körper rein halten."

"Die Lehre Buddhas ist wahrlich wunderbar. Aus eigener Erfahrung weiß ich, daß, wenn ich irgend etwas Schönem oder Angenehmem gegenüberstehe, ohne auf der Hut zu sein, ich durch die Sinneseindrücke verwirrt werde. Es ist von großer Bedeutung, daß wir an den Türen zu den fünf Sinnen auf der Hut sind und jederzeit unsere Taten rein halten."

8. Wenn immer eine Person ihre Gedanken durch die Tat zum Ausdruck bringt, folgt stets eine Reaktion. Wenn jemand Dich verschmäht, so besteht die Verlockung, freundlich zu antworten oder sich zu rächen. Man sollte vor dieser natürlichen Reaktion auf der Hut sein. Es ist, als ob man Staub gegen den Wind fegt: man wird ihn nicht los, sondern beschmutzt sich selbst. Unglück macht immer die Schritte desjenigen zunichte, der dem Verlangen nach Rache nachgibt.

9. Es ist eine sehr gute Tat, sich der Habgier zu

entledigen und einen Geist der Barmherzigkeit zu hegen.

Es ist noch besser, seinen Geist darauf zu lenken, den

Edlen Pfad zu beachten.

Man sollte sich von einem selbstsüchtigen Geist befreien und ihn durch einen Geist ersetzen, der ernsthaft darauf bedacht ist, anderen zu helfen. Eine Tat, die einen anderen glücklich macht, regt diesen an, wieder einen anderen glücklich zu machen, und so entsteht Glück durch solch eine Tat.

Tausende von Kerzen können von einer einzigen Kerze angezündet werden, und das Leben der Kerze wird dabei nicht verkürzt. Glück nimmt nie ab, wenn man es teilt.

Diejenigen, die Erleuchtung suchen, müssen bei ihren ersten Schritten vorsichtig sein. Ganz gleich wie stark die Sehnsucht danach auch sein mag, man muß sie Schritt für Schritt erwerben. Die Schritte auf dem Pfad zur Erleuchtung müssen in unserem täglichen Leben gemacht wer den, heute, morgen, übermorgen und alle Tage.

10. Gerade am Anfang des Pfades zur Erleuchtung gibt es zwanzig Schwierigkeiten für uns, die wir in dieser Welt überwinden müssen, und das sind folgende: 1. Es ist schwer für einen armen Menschen, großzügig zu sein. 2. Es ist schwer für einen hochmütigen Menschen, den Weg der Erleuchtung zu verstehen. 3. Es ist schwer, Erleuchtung durch Selbstaufopferung zu suchen. 4. Es ist schwer, geboren zu werden, solange Buddha auf der Welt ist. 5. Es ist schwer, Buddhas Lehre anzuhören. 6. Es ist schwer, den Geist von den Trieben des Körpers rein zu halten. 7. Es ist schwer, sich nicht nach Dingen zu sehnen, die schön und anziehend sind. 8. Es ist &127für einen starken Menschen schwer, nicht seine Stärke zu gebrauchen, um seine Bedürfnisse zu befriedigen. 9. Es ist schwer, nicht zornig zu werden, wenn man beleidigt wird. 10. Es ist schwer, unschuldig zu bleiben, wenn man durch plötzliche Umstände in Versuchung gerät. 11. Es ist schwer, sich einem umfassenden und gründlichen Studium zu widmen. 12. Es ist schwer, einen Anfänger nicht gering zu schätzen. 13. Es ist schwer, bescheiden zu bleiben. 14. Es ist schwer, gute Freunde zu finden. 15. Es ist schwer, die Zucht zu ertragen, die zur Erleuchtung führt. 16. Es ist schwer, nicht durch äußere Bedingungen und Umstände beeinträchtigt zu werden. 17. Es ist schwer, andere zu lehren, wenn man ihre Fähigkeiten kennt.

18. Es ist schwer, einen friedfertigen Geist zu bewahren. 19. Es ist schwer, nicht über das Richtige und Falsche zu disputieren. 20. Es ist schwer, eine gute Methode zu finden und zu erlernen.

11. Gute und böse Menschen unterscheiden sich voneinander in ihrem Wesen. Böse Menschen erkennen eine üble Tat nicht als übel an. Auch wenn man sie auf ihre Leidenschaftlichkeit aufmerksam macht, hören sie nicht auf, solche Taten zu begehen, und sie möchten nicht, daß irgend jemand auf ihre üblen Taten hinweist. Weise Menschen sind sensibel dafür, was richtig und was falsch ist. Sie sind jedem.dankbar, der ihre Aufmerksamkeit auf solche falschen Taten lenkt.

So unterscheiden sich gute und böse Menschen grundlegend voneinander. Böse Menschen achten nie die Freundlichkeit, die ihnen erwiesen wird, aber weise Menschen achten sie und sind dankbar. Weise Menschen versuchen, ihre Achtung und Dankbarkeit dadurch aus zudrücken, daß sie Freundlichkeit erwidern, und zwar nicht nur ihrem Wohltäter, sondern allen Menschen gegenüber.

III DIE LEHRE IN ALTEN FABELN

1. Es war einmal ein Land, das die eigenartige Angewohnheiten hatte, ihre alten Menschen auf abgeschiedenen und unerreichbaren Bergen auszusetzen.

Einem gewissen Staatsminister machte es Schwierig ketten, im Falle seines eigenen alten Vaters dieser Sitte zu folgen. Deshalb baute er heimlich eine unterirdische Höhle, in der er seinen Vater versteckte und für ihn sorgte.

Eines Tages erschien vor dem König dieses Landes ein Gott, gab ihm ein Rätsel auf und sagte, daß wenn er es nicht zufriedenstellend lösen könne, sein Land zerstört würde. Das Rätsel lautete: "Hier sind zwei Schlangen. Nenne mir von beiden das Geschlecht."

Da weder der König noch sonst jemand im Palast das Rätsel lösen konnte, bot der König jedem in seinem Königreich eine große Belohnung an, der es lösen könne.

Der Minister ging zu dem Versteck seines Vaters und fragte ihn nach der Antwort dieses Rätsels. Der alte Mann sprach: "Es gibt eine leichte Lösung. Setze die zwei Schlangen auf einen weichen Teppich; diejenige, die umherkriecht, ist das Männchen, und die andere, die sich ruhig verhält, ist das Weibchen." Der Minister brachte dem König die Antwort, und das Rätsel war erfolgreich gelöst.

Dann stellte der Gott andere schwierige Fragen, die der König und seine Gefolgsleute nicht beantworten konnten, die aber der Minister, nachdem er seinen alten Vater stets um Rat gebeten hatte, immer lösen konnte.

Hier sind einige Fragen und ihre Antworten. "Wer ist derjenige, der, obwohl er schläft, der Auferweckte und, obwohl er wach ist, der Schlafende genannt wird?" Die Antwort lautet: "Das ist derjenige, der sich im Training für die Erleuchtung befindet. Er ist wach, verglichen mit jenen, die an der Erleuchtung nicht interessiert sind. Er schläft aber, verglichen mit jenen, die schon zur Erleuchtung gelangt sind."

Wie kann man einen riesigen Elefanten wiegen?" "

"Lade ihn auf ein Boot und zeichne einen Strich, um zu kennzeichnen, wie tief das Boot in das Wasser sinkt. Nimm dann den Elefanten heraus und belade das Boot mit Steinen, bis es zur selben Tiefe hinabsinkt, und wiege die Steine."

Welche Bedeutung hat die Redewendung: "Eine Tasse voll Wasser ist mehr als das Wasser eines Ozeans?" Die Antwort lautet: "Eine Tasse voll Wasser, die man in einem reinen und mitfühlenden Geiste seinen Eltern oder einem kranken Menschen reicht, hat einen ewigen Wert, aber das Wasser eines Ozeans wird eines Tages zu Ende gehen."

Der Gott ließ wiederum einen Mann, der bis auf die Haut und Knochen abgemagert war, sich beklagen: "Gibt es jemanden auf dieser Welt, der hungriger ist als ich?" "Der Mensch, der selbstsüchtig und habgierig ist, der nicht an die drei Werte - Buddha, Dharma und Sangha - glaubt, und der seinen Eltern und Lehrern keine Geschenke macht, ist nicht nur hungriger, sondern wird in die Welt der hungrigen Dämonen hinabfallen, und dort für immer an Hunger leiden."

"Hier ist ein Brett aus Candanaholz. Welches Ende war der unterste Teil des Baumes?" "Laß das Brett im Wasser schwimmen; das Ende, das ein wenig tiefer sinkt, war das Ende, welches der Wurzel am nächsten wuchs."

"Hier sind zwei Pferde, offensichtlich von derselben Größe und Gestalt. Wie kann man die Mutter vom Sohn unterscheiden?" "Füttere sie mit etwas Heu. Die Pferdemutter wird das Heu ihrem Sohn zuschieben."

Jede Antwort auf diese schwierigen Fragen gefiel sowohl dem Gott als auch dem König. Der König war dankbar, als er erfuhr, daß die Antworten von dem alten Vater stammten, den der Sohn in der Höhle versteckt hatte. Er widerrief das Gesetz, nach dem alte Menschen in den Bergen ausgesetzt worden waren, und befahl, sie fortan freundlich zu behandeln.

2. Königin Videha von Indien träumte einmal von einem Elefanten, der sechs Stoßzähne aus Elfenbein besaß. Sie begehrte die Stoßzähne und flehte den König an, diese für sie zu holen. Obwohl dies eine unlösbare Aufgabe zu sein schien, versprach der König, der die Königin sehr liebte, jedem Jäger eine Belohnung, der ihm einen solchen Elefanten melden würde.

Zufälligerweise hielt sich gerade ein solcher Elefant mit sechs Stoßzähnen, der sich für den Buddhismus schulte, in den Gebirgen des Himalaja auf. Er hatte einst in den Tiefen der Gebirge das Leben eines Jägers in einer Notsituation gerettet, und dieser konnte sicher in sein Land zurückkehren. Der Jäger jedoch, der von der großen Belohnung geblendet war und die Güte, die der Elefant ihm erwiesen, vergessen hatte, kehrte in die Berge zurück, um den Elefanten zu töten.

Da der Jäger wußte, daß der Elefant nach dem Buddhismus strebte, verkleidete er sich als buddhistischer Mönch und verletzte mit einem vergifteten Pfeil den Elefanten, der nicht auf seiner Hut war, tödlich.

Der Elefant, wissend, daß sein Ende nahe und der Jäger durch das irdische Begehren nach der Belohnung überwältigt worden war, hatte Mitleid mit ihm und bot ihm zwischen seinen Gliedern Zuflucht, um ihn vor dem Zorn der anderen, racheerfüllten Elefanten zu schützen. Dann fragte der Elefant den Jäger, warum er etwas so Törichtes getan hatte. Der Jäger erzählte von der Belohnung und gestand, daß er die sechs Stoßzähne begehrte. Der Elefant brach diese sofort ab, indem er sie gegen einen Baum schlug, gab sie dem Jäger und sprach: "Durch dieses Geschenk habe ich meine Schulung für den Buddhismus vollendet und werde im Reinen Land wiedergeboren werden. Sobald ich ein Buddha sein werde, werde ich dir helfen, die drei giftigen Pfeile der Habgier, des Zorns und der Verblendung loszuwerden.

3. In einem Dickicht am Fuße des Himalayagebirges lebte einmal ein Papagei zusammen mit vielen anderen Tieren und Vögeln. Eines Tages entstand bei einem starken Wind durch die Reibung der Bambusstöcke ein Feuer im Dickicht, und unter den Vögeln und Tieren brach eine schreckliche Panik aus. Der Papagei, der für ihr Entsetzen und Leiden Mitleid empfand, und der die Freundlichkeit erwidern wollte, die er in dem Bambusdickicht, in dem er sich schützen konnte, empfangen hatte, versuchte alles, um sie zu retten. Er tauchte, in einem nahegelegenen Teich unter, flog über das Feuer und schüttelte die Wassertropfen ab, um es zu löschen. Er wiederholte dies unentwegt mit einem Herzen voller Mitleid, aus Dankbarkeit dem Dickicht gegenüber.

Dieser Geist voller Güte und Selbstaufopferung wurde von einem himmlischen Gott bemerkt, der vom Himmel herunterschwebte und zum Papageien sprach: "Du hast eine edelmütige Gesinnung, aber was .sollen deiner Meinung nach ein paar Tropfen Wasser gegen dieses große Feuer ausrichten?" Der Papagei antwortete: "Es gibt nichts, was nicht durch den Geist der Dankbarkeit und der Selbstaufopferung ausgeführt werden kann. Ich werde es immer wieder versuchen und im nächsten Leben nochmals." Der große Gott war von der Gesinnung des Papageis beeindruckt, und sie löschten daraufhin gemeinsam das Feuer.

4. Es lebte einmal im Himalaja ein Vogel mit einem Körper und zwei Köpfen. Einmal bemerkte einer der Köpfe, wie der andere eine bestimmte süße Frucht aß, so daß er neidisch wurde und sich sagte: "Dann werde ich, eine giftige Frucht essen." So aß er Gift, und der Vogel starb.

S. Einmal zankten sich der Schwanz und der Kopf einer Schlange, welcher von beiden denn der vordere Teil sei. Der Schwanz sagte zum Kopf: "Du führst immer an; das ist nicht gerecht, du solltest mich manchmal führen lassen." Der Kopf antwortete: "Nach dem Gesetz unserer Natur soll ich der Kopf sein. Ich kann meinen Platz nicht mit dir tauschen."

Aber der Streit ging weiter, und eines Tages befestigte sich der Schwanz an einem Baum und hinderte so den Kopf daran, sich fortzubewegen. Als der Kopf des Kampfes überdrüssig wurde, ging der Schwanz seinen eigenen Weg, mit dem Ergebnis, daß die Schlange in ein Feuerloch fiel und zugrunde ging.

In der Welt der Natur herrscht immer eine zweckmäßige Ordnung, und alles hat seine vorherbestimmte Funktion. Wenn diese Ordnung gestört wird, wird der Arbeitsablauf unterbrochen und somit die ganze Ordnung zerstört.

6. Es war einmal ein Mann, der dazu neigte, leicht zornig zu werden. Eines Tages redeten zwei Männer über diesen Mann vor dessen Haus. Der eine sagte zum anderen: "Er ist ein netter Mann, aber sehr ungeduldig. Er hat ein hitziges Temperament und wird schnell zornig." Der Mann hörte diese Bemerkung, rannte aus dem Haus und griff die beiden Männer an, wobei er sie schlug, trat und verwundete.

Wenn ein weiser Mensch auf seine Fehler aufmerksam gemacht wird, wird er über sie nachdenken und sein Verhalten bessern. Wenn ein törichter Mann auf sein Fehlverhalten hingewiesen wird, wird er den Rat nicht nur mißachten, sondern denselben Fehler eher wieder holen.

7. Es gab einmal einen wohlhabenden aber törichten Mann. Als er das schöne dreistöckige Haus eines anderen Mannes sah, beneidete er ihn darum und entschloß sich, sich genauso eines bauen zu lassen, da er glaubte, er sei ebenso reich. Er bestellte einen Zimmermann und gab ihm den Auftrag, ein Hans zu bauen. Der Zimmermann willigte ein und begann sofort mit dem Bau des Fundaments, des ersten Stockwerks, des zweiten Stockwerks und schließlich des dritten Stockwerks. Der wohlhabende Mann bemerkte dies mit Verärgerung und sagte: "Ich möchte kein Fundament, auch kein erstes oder zweites Stockwerk. Ich möchte nur das schöne dritte Stockwerk. Baue es schnell."

Ein törichter Mensch denkt immer nur an die Ergebnisse, und ist ungeduldig, ohne dabei die Anstrengungen auf sich nehmen zu wollen, die nötig sind, um gute Ergebnisse zu erzielen. Es kann nichts Gutes erreicht werden ohne angemessenes Bemühen, genauso wie es kein drittes Stockwerk geben kann ohne das Fundament und den ersten und zweiten Stock.

8. Ein törichter Mann kochte einmal Honig. Da sein Freund unerwartet erschien, wollte der törichte Mann ihm etwas Honig anbieten, aber er war zu heiß; ohne den Honig vom Feuer zu nehmen, blies er ihn, um ihn zu kühlen. In ähnlicher Weise ist es unmöglich, den Honig der kühlen Weisheit zu erhalten, ohne zuerst das Feuer der irdischen Leidenschaften ausgelöscht zu haben.

9. Es waren einmal zwei Dämonen, die einen ganzen Tag damit zubrachten, sich um eine Schachtel, einen Stock und ein Paar Schuhe zu streiten und zu zanken. Ein Mann, der vorbeikam, fragte: "Warum streitet ihr euch um diese Dinge? Welch magische Kraft haben sie, daß ihr euch darum streiten müßt, sie zu besitzen?"

Die Dämonen erklärten ihm, daß sie von der Schachtel alles bekommen könnten, was sie wollten Nahrung, Kleider oder Schmuck; mit dem Stock könnten sie alle ihre Feinde bezwingen; und mit dem Paar Schuhe könnten sie durch die Luft fliegen.

Nachdem er dies erfahren hatte, sagte der Mann "Wozu streiten? Wenn ihr für ein paar Minuten weggehen wollt, kann ich über eine gerechte Verteilung der Dinge unter euch nachdenken." So zogen sich die zwei Dämonen zurück, und sobald sie gegangen waren, zog der Mann die Schuhe an, ergriff die Schachtel und den Stock und verschwand durch die Luft.

Die "Dämonen" stellen Männer heidnischen Glaubens dar. "Eine Schachtel" steht für Geschenke, die aus Nächstenliebe entstehen. Die Menschen erkennen nicht, wie viele Reichtümer durch Nächstenliebe geschaffen werden können. "Ein Stock" bedeutet die Konzentrationsübung des Geistes. Die Menschen merken nicht, daß sie durch die Schulung der geistigen Konzentration der Seele alle irdischen Wünsche bezwingen können. "Ein ,Paar Schuhe" weist auf die reinen Lehren bezüglich des Denkens und Verhaltens hin, welche die Menschen jenseits aller Wünsche und Auseinandersetzungen führen wird. Wenn sie dies nicht wissen, streiten und zanken sie sich um eine Schachtel, einen Stock und ein Paar Schuhe:

10. Es war einmal ein Mann, der allein umherreiste. Er kam gegen Abend an ein unbewohntes Haus und beschloß, die Nacht dort zu verbringen. Um Mitternacht brachte ein Dämon eine Leiche herein und ließ sie in der Diele liegen. Kurz darauf erschien ein weiterer Dämon und beanspruchte den Leichnam für sich allein, und so stritten sie sich beide um ihn.

Dann sagte der erste Dämon, daß es nutzlos sei, sich weiterhin zu streiten und schlug deshalb vor, es einem Richter zu überlassen, über den Besitzer zu entscheiden. Der andere Dämon willigte ein, und als er den Mann in der Ecke kauern sah, bat er ihn, über das Eigentumsrecht zu entscheiden. Der Mann hatte schreckliche Angst, denn er wußte wohl, daß, welche Entscheidung er auch treffen würde, sie den Dämon erzürnen würde, der verloren hatte, und daß dieser sich rächen und ihn töten würde. Er entschloß sich aber, wahrheitsgemäß das zu erzählen, was er gesehen hatte.

Wie er angenommen hatte, erzürnte dies den zweiten Dämon, der daraufhin den einen Arm des Mannes packte und ihn herausriß. Aber der erste Dämon ersetzte den

Arm sofort durch einen anderen, den er vom Leichnam abgetrennt hatte. Der zornige Dämon riß den anderen Arm des Mannes heraus, aber der erste Dämon ersetzte jenen sofort mit dem anderen Arm des Leichnams. Und so ging es weiter, bis beide Arme, beide Beine, der Kopf und der Körper nacheinander abgerissen und mit den entsprechenden Teilen des Leichnams ersetzt worden waren. Dann lasen die zwei Dämonen, als sie die Teile des Mannes verstreut auf dem Boden liegen sahen, diese auf, verschlangen sie und gingen glucksend fort.

Der arme Mann, der in dem verlassenen Haus Zuflucht gesucht hatte, war durch sein Unglück völlig außer Fassung geraten. Die Teile seines Körpers, die die Dämonen gegessen hatten, waren die Körperteile, die ihm seine Eltern gegeben hatten, und die Teile, die er nun hatte, gehörten zum Leichnam. Wie dem auch sei, wer war er nun? Nachdem ihm all die Tatsachen bewußt geworden waren, konnte er sie nicht fassen, sondern wurde wahnsinnig und ging aus dem Haus. Als er zu einem Tempel kam, ging er hinein und erzählte den Mönchen seine Sorgen. Die Menschen konnten in seiner Geschichte die wahre Bedeutung der Selbstlosigkeit erkennen und erlangten auf diese Wiese unschätzbare Dankbarkeit.

11. Einmal besuchte eine schöne und hübschgekleidete Frau ein Haus. Der Hausherr fragte sie, wer sie sei, und sie erwiderte, sie sei die Göttin des Reichtums. Der Hausherr war entzückt und behandelte sie daher zuvorkommend.

Bald danach erschien eine andere Frau, die häßlich aussah und ärmlich gekleidet war. Der Hausherr fragte sie, wer sie sei, und die Frau erwiderte, sie sei die Göttin der Armut. Der Herr war entsetzt und versuchte, sie aus dem Hause zu treiben, aber die Frau weigerte sich, fortzugehen und sprach: "Die Göttin des Reichtums ist meine Schwester. Es gibt ein Übereinkommen zwischen uns, daß wir nie getrennt leben dürfen: wenn du mich hinausjagst, muß sie mit mir gehen." In der Tat, sobald die häßliche Frau hinausgegangen war, verschwand auch die andere.

Geburt geht mit dem Tod einher und Glück mit Unglück. Schlechte Dinge folgen den guten Dingen. Die Menschen sollten dies erkennen. Törichte Menschen fürchten das Unglück und streben nach Glück, aber jene, die Erleuchtung suchen, müssen über beides erhaben und frei von irdischen Bindungen sein.

12. Es lebte einmal ein armer Künstler, der seine Heimat und seine Frau verließ, um sein Glück zu suchen. Nach drei Jahren schwerer Kämpfe hatte er dreihundert Gold stücke gespart und beschloß, in seine Heimat zurück zukehren. Auf seinem Weg kam er an einem großen Tempel vorbei, in dem eine große Opferungszeremonie stattfand. Er war davon stark beeindruckt und dachte bei sich: "Bisher habe ich nur an die Gegenwart gedacht, ich habe aber nie mein zukünftiges Glück berücksichtigt. Es gehört zu meinem großen Glück, daß ich an diesen Ort gekommen bin. Ich muß es ausnutzen, um Samen des Verdienstes zu säen." Wie er so überlegte, schenkte er dankbar alle seine Ersparnisse dem Tempel und kehrte ohne einen Pfennig in seine Heimat zurück.

Als er die Heimat erreichte, warf seine Frau ihm vor, keinen Pfennig für ihren Unterhalt mitgebracht zu haben. Der arme Künstler erwiderte, daß er zwar etwas Geld verdient hätte, aber es dort gelassen hätte, wo es sicher aufgehoben sein würde. Als seine Frau ihn drängte, ihr zu erzählen, wo er es versteckt habe, gestand er, daß er es den Mönchen in einem bestimmten Tempel gegeben habe.

Dies machte die Frau zornig, und sie schalt ihren Mann und brachte die Angelegenheit vor dem Richter am Ort. Als der Richter den Künstler um seine Verteidigung bat, sagte der Künstler, daß er nicht töricht gehandelt habe, denn er habe das Geld während langer und harter Kämpfe verdient und wollte es als Samen für künftiges Glück verwenden. Als er an den Tempel kam, schien ihm, daß dies das Feld sei, wo er sein Gold als Samen für.sein Glück pflanzen sollte. Dann fügte er hinzu: "Als ich den Mönchen das Geld gab, schien es, als hätte ich Habgier und Geiz vollständig aus meinem Geist verbannt. Und ich habe erkannt, daß wirklicher Reichtum nicht Gold, sondern Geist ist."

Der Richter lobte die Gesinnung des Künstlers, und jene, die davon hörten, zeigten ihre Zustimmung, indem sie ihm auf verschiedene Art und Weise halfen. So wurde dem Künstler und seiner Frau dauerhaftes Glück zuteil.

13. Ein Mann, der in der Nähe eines Friedhofes wohnte, hörte eines Nachts aus einem Grab eine Stimme rufen. Er war zu ängstlich, um selbst danach zu forschen. Am nächsten Tag erwähnte er dieses Ereignis einem tapferen Freund gegenüber, der sich sofort entschloß, die Stelle aufzuspüren, von der die Stimme herkam.

Während der ängstliche Mann vor Furcht zitterte, ging sein Freund zum Friedhof und tatsächlich konnte man die Stimme aus einem Grab kommen hören. Der Freund fragte, wer sie sei und was sie wolle. Die Stimme unter der Erde erwiderte: "Ich bin ein verborgener Schatz, der beschlossen hat, sich jemandem zu schenken. Ich machte letzte Nacht einem Mann das Angebot, aber der war zu ängstlich, um danach zu schauen, deshalb werde ich es dir machen, der es wert ist. Morgen früh werde ich mit meinen sieben Gefolgsleuten in dein Haus kommen."

Der Freund sagte: "Ich werde auf euch warten, aber sag mir bitte, wie ich euch behandeln soll." Die Stimme erwiderte: "Wir werden in den Gewändern von Mönchen kommen. Halte ein Zimmer mit Wasser für uns bereit; wasche deinen Körper, reinige das Zimmer und halte Sitzplätze und acht Schüsseln Reisbrei für uns bereit. Nach dem Mahl mußt du uns, einer nach dem anderen, in ein verschlossenes Zimmer führen, in dem wir uns in Goldgefäße verwandeln werden."

Am nächsten Morgen wusch dieser Mann seinen Körper und reinigte sein Zimmer, genauso wie es ihm gesagt worden war und wartete darauf, daß die Mönche erscheinen würden. Sie erschienen zur rechten Zeit, und er empfing sie höflich. Nachdem die Mönche die Nahrung zu sich genommen hatten, führte er sie, einer nach dem anderen, in das verschlossene Zimmer, wo ein jeder Mönch sich in ein Gefäß voller Gold verwandelte.

Im selben Dorf gab es einen sehr habgierigen Mann, der von dem Ereignis erfuhr und die Goldgefäße haben wollte. Er lud acht Mönche in sein Haus ein. Nach ihrem Mahl führte er sie in ein verschlossenes Zimmer, aber anstatt sie sich in Goldgefäße zu verwandelten, wurden sie böse und zornig und meldeten den Mann der Polizei, die ihn schließlich festnahm.

Was den ängstlichen Mann anbetrifft, so ging dieser, nachdem er erfuhr, daß die Stimme aus dem Grab dem tapferen Mann Reichtum gebracht hatte, in das Haus des Mannes, verlangte habgierig nach dem Gold und bestand darauf, daß es seines wäre, weil die Stimme sich zuerst an ihn gerichtet hätte. Als der ängstliche Mann versuchte, die Gefäße wegzunehmen, fand er in ihnen eine Menge Schlangen, die ihre Köpfe erhoben, bereit, ihn anzugreifen .

Der König hörte davon und bestimmte, daß die Gefäße dem tapferen Mann gehören sollten, und er äußerte die folgende Beobachtung: "Alles auf der Welt hat diesen Lauf. Törichte Menschen sind nur nach guten Ergebnissen gierig, sie sind aber zu ängstlich, ihnen nachzugehen, und deshalb scheitern sie fortwährend. Sie haben weder das Vertrauen noch den Mut, den inneren Kämpfen der Seele gegenüberzutreten, durch die allein wahrer Friede und Harmonie erreicht werden kann."

 

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